Führung übernehmen im Alltag

Führung übernehmen heisst Verantwortung übernehmen, Schutz geben und ja, das ist manchmal mit Einschränkungen verbunden.

Nachfolgend einige Beispiele wie du deinen Hund in verschiedenen Situationen "führen" kannst.

Grenzen setzen nach dem Ampelprinzip

Hunde verstehen uns, wenn wir nach dem Ampel-Prinzip handeln. Bei GRÜN ist alles in Ordnung. Zeigt der Hund ein Verhalten, von dem der Mensch gerne möchte, dass der Hund es beendet, gibt er ein Signal (Achtung: orange), um den Hund darauf hinzuweisen. Der Hund hat nun 2 Möglichkeiten: er reagiert auf das Signal und kommt wieder in den grünen Bereich oder er ignoriert das Signal, er ändert sein Verhalten nicht und macht mit dem weiter, was er getan hat. Bei letzterem Verhalten ist der Hund im roten Bereich. Wenn ich jetzt wie bis anhin nur rede, wird der Hund das ORANGE-Signal nicht erkennen können und nicht wissen, dass er im ROTEN Bereich ist. Es muss eine Handlung erfolgen. Unter Handlung ist entweder Raum einnehmen oder eine Berührung (kein Zufügen von Schmerz!) zu verstehen. Beides führt dazu, dass der Hund bei dem, was er macht, gestört wird. Der Abbruch des Verhaltens wird sofort mit Lob quittiert.

Beide Verhaltensweisen – Raum einnehmen und Berührung – können wir übrigens in der Interaktion zwischen Hunden beobachten.

Schnüffelfleck beanspruchen

Frau W. kommt mit ihrem Golden Retrieverrüden zu mir. Ich schaue mir das Team an und sehe wie der Hund intensiv den Platz abschnüffelt, was ja ganz normal ist. Auf meine Frage, ob sie ihm „sagen" könne, dass er das Schnüffeln für einen Moment einstellen möchte, nimmt sie ein Leckerli, hält es vor seine Nase und führt damit seinen Kopf nach oben. Der Hund bekommt das Leckerli und – schnüffelt sofort weiter. Was passiert aus Sicht des Hundes? Er inspiziert seine Umwelt um für ihn interessante Informationen zu bekommen. Da erscheint plötzlich etwas noch viel Verlockenderes vor seiner Nase: ein Würstli. Natürlich folgt seine Nase der Verlockung und er wird in kurzer Zeit mit dem Würstli belohnt. Viele meinen er hätte jetzt begriffen, dass er die Nase vom Boden nehmen soll. Hat er nicht. Wie denn auch? Er ist nur der Verlockung gefolgt, Denkleistung gleich Null. Geht es auch anders, so dass er uns versteht? Ja. Ich gebe Frau W. folgende Instruktionen: Wenn der Hund schnüffelt, stellen Sie sich auf den Schnüffelfleck. Wenn er nebendran weiter schnüffelt, stellen Sie sich dort hin. Das machen Sie so lange, bis er sie anschaut. Dann loben Sie ihn überschwänglich und belohnen ihn mit einem Leckerli. Frau W. ist gespannt und setzt dies sogleich sehr gut um. Nach dreimal „stören" beim Schnüffeln bleibt der Kopf des Hundes über mehrere Schritte oben und er macht dauernden Kontakt zu seiner Besitzerin. Sie ist begeistert. Als „Belohnung" würde aber auch nur emotional positives verbales Feedback reichen, was für viele Hundeführer allerdings etwas Übung bedarf. Im Gegensatz zur Variante 1, bei der mit Leckerli gelockt wird, wird bei Variante 2 der Abbruch bzw. neues Verhalten belohnt. Nach konsequenter Anwendung genügen schon einige Schritten in Richtung des Hundes um das Schnüffeln zu beenden.

Interessiert - aber nicht am Besitzer

Wichtig ist auch, dass der Hund lernt hinter mir zu laufen und dort zu bleiben, damit ich ihm bei Begegnungen Schutz geben kann. Gerade unsichere Hunde sind vor ihren Menschen hoffnungslos überfordert.
Frau L. kommt mit einem 2-jährigen Sennenhundmischling zu uns ins Circle Game (Kreistraining). Sie hat verschiedenste hochwertige Futtermotivationen dabei und strengt sich sehr an, dem Hund Freude am gemeinsamen Tun zu vermitteln. Der Sennenhundmischling verhält sich sehr distanziert, hat mehr Interesse an seiner Umgebung als an ihr, braucht für jeden Schritt mehrere Einladungen. Eigentlich sollte es ja genau umgekehrt sein: Der Hund sollte sich bemühen uns zu gefallen, damit wir ihn für seine Anstrengungen belohnen. Im Alltag gibt es Probleme bei Begegnungen und beim Abrufen. Sie bekommt folgenden Hausaufgaben: Schnüffelfleck beanspruchen, den Hund vor einer Begegnung rückwärts laufen lassen und dann hinter sich führen und ihn mehrmals am Tag für eine bestimmte Zeit an einen Ort schicken, den er erst auf ihr Kommando wieder verlassen darf. Nach 2 Wochen hat sich das Bild schon massiv verändert: Es genügen normale und etwas bessere Leckerli und der Hund ist während des gemeinsamen Tuns fast immer aufmerksam.

Störenfried auf dem Sofa

Frau S. ist mit Hunden aufgewachsen und wohnt im 2. Stock. Ihr Ziel war, dass der Welpe – ein brauner Labradorrüde - sich meldet, wenn er raus muss, was er jetzt auch macht. Leider hat er u.a. dadurch gemerkt, dass er seine Menschen zu Handlungen „motivieren“ kann z.B. durch anhaltendes Bellen. Kaum sitzen Frau S. und ihr Partner auf dem Sofa oder am Tisch, meldet er sich bellend und fordert Beschäftigung wie Spielzeug werfen ein.

Ich empfehle Frau S. den Tag so zu strukturieren, dass Sie mit ihm rausgeht bevor er sich meldet. Auch am Abend wird er beschäftigt, bevor sie sich auf‘s Sofa setzen. Ausserdem soll er sein Futter durch Übungen verdienen, in denen er sich zurücknehmen muss. So verteilt sie jetzt einen Teil des Fressens mit Sitz/Platz-Bleib und er muss warten, beobachten und dann darf er es suchen. Oder sie legt Futter und ruft ihn daran vorbei ab. Damit der Hund auch Anweisungen ohne Futter in der Hand ausführt – was übrigens eher ein mentales Problem der Besitzerin war – legt sie Futter auf den Tisch, geht mit leeren Händen zum Hund, gibt ihm eine Anweisung, belohnt mal direkt danach mit zum Tisch laufen oder es gilt einen weiteren Befehl auszuführen. Der Spaziergang wird neu unterbrochen mit Ruhepausen auf einer Bank und es läuft gar nichts. Wenn der Hund zur Ruhe gekommen ist, geht es ruhig wieder weiter. Zuhause wird er auch mal für kurze Zeit in sein Bett geschickt und muss dort bleiben, bis sie ihn ohne besondere Aufmerksamkeit wieder frei gibt. Bei meinem nächsten Besuch nach einer Woche, bellt der Rüde nur noch selten und auch nicht mehr so lautstark.

Hunde lernen immer, jeden Tag, ein Leben lang. Leider oft nicht das, was wir uns vorgestellt haben.

Wie reagierst du auf ein bestimmtes, unerwünschtes Verhalten deines Hundes? Immer gleich? Nur wenn du deine "Antwort" änderst, wird sich auch das Verhalten deines Hundes ändern.